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…und plötzlich hat er geschnappt

Aus der Sprechstunde für Verhaltenstherapie weiß ich, dass den meisten Hunden, die schnappen oder beißen Unrecht getan wird. Vor dem angeblich plötzlichen Biss ohne Vorwarnung werden häufig noch „Bände gesprochen“…. Aber niemand hat sie gelesen.

Warum Hunde sich angeblich ohne Grund aggressiv verhalten

Wenn wir einen englischen Austausch-Schüler bei uns aufnehmen, dann lernen wir selbstverständlich vorher ein paar Wörter in seiner Sprache. „Good morning!“ „Do you like tea or coffee?“ Wenn wir einen Hund adoptieren, machen die Wenigsten einen Sprachkurs. Dabei wäre es hier doch noch viel wichtiger.

Denn schließlich ist unser neues Familienmitglied ein Wesen, das Abstufungen von „lieber nicht“ oder „absolut Nein“ in seiner Sprache durchaus beherrscht. Dieser Teil der Kommunikation ist wichtig, um eine die Vergrößerung der Distanz vom Gegenüber zu erreichen. Aber während wir Menschen einem starrköpfigen Gegenüber sehr streng aber immer noch höflich sagen „Jetzt lass das bitte!!“ sieht eben genau diese Botschaft bei einem Hund ganz anders aus.

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Stress: Körpersprache des Hundes erkennen

Die Abstufungen des Drohens werden gelernt

Hunde lernen diese Abstufungen – das Drohen – von dem Muttertier und von, im besten Fall, geduldigen anderen Hunden in der Jugendzeit.

Lernen an einem Beispiel:

Wenn ein kleiner Welpe sich einem fressenden Hund nähert, der sein Futter nicht gerne teilt, dann wird dieser zunächst aufhören zu fressen und dabei steif und unbeweglich bleiben (Bild 1)

Vom unerfahrenen Welpen ungehört, der weiter auf den Napf zuläuft, geht das fressende Tier nun in die nächste Stufe. Er streckt den Kopf nach vorne und starrt dem Kleinen direkt in die Augen (Droh-Fixieren, Bild 2).

Jetzt ist es 5 vor 12 und der Kleine sollte abdrehen. Tut er’s nicht, weil dies seine erste Lektion ist, dann folgt jetzt das Knurren, deutliches Zähnefletschen und evtl. langsames Verlagern des Gewichtes, um den Sprung nach vorne vorzubereiten (Bild 3).

Hat der Kleine die Botschaft immer noch nicht verstanden? Wer nicht hören will muss fühlen:

Ein sehr schneller und plötzlicher Sprung oder ein Herumreißen des Kopfes in Richtung des kleinen Schülers mit einem unangenehmen Umwerfen oder Zwicken ins Fell bringen mit Sicherheit den gewünschten Erfolg: Dass der Welpe sich vom „Eigentum“ – dem Futternapf – schnell und meist mit Winseln entfernt.

In der Regel ist bei dem kleinen Schüler nur der Stolz verletzt und nicht mehr.

Es wäre auch nicht zielführend, wenn man den eigenen Rudelmitgliedern bei den Lektionen jedes Mal körperlichen Schaden zufügt.

Beim nächsten Mal wird der Welpe schon auf die erste oder zweite Stufe mit dem instinktiven Beschwichtigungsverhalten antworten und die Distanz – wie gewünscht – zum Artgenossen vergrößern.

Könnten wir es kommen sehen?

Nun ersetzen wir den kleinen Welpen durch ein Kind….

Auch hier neigen manche Hunde dazu, dem kleinen Mitglied aus dem Mensch-Hunde-Rudel, die Lektionen beibringen zu wollen. Manche Hunde tun das, weil sie die geborenen KindergärtnerInnen in einem Hunderudel wären, manche sind besonders Futter-affin und wieder andere sind schlecht sozialisiert und schätzen die Nähe von kleinen Zweibeinern nicht sehr, und möchten beim Fressen gerne mehr Distanz.

Wie auch immer die Motivation aussehen mag, die dahinter steht: Das Ergebnis ist immer gleich erschreckend. Der Hund „hat das Kind plötzlich angeknurrt, angefallen oder nach ihm geschnappt“.

Das angeblich plötzliche Verhalten wurde in der Regel aber deutlich angekündigt. Aber weder das Kind (wie auch?) noch die Eltern haben gelesen was von Seiten des Hundes kommuniziert wurde.

Aus dem Unvermögen, die Körpersprache eines Hundes zu lesen oder schlicht einem Mangel an Aufmerksamkeit entstehen viele dieser Situationen – sowohl zwischen Hunden und Kindern und Hunden und Erwachsenen.

Wie reagiert man richtig auf aggressives Verhalten?

Wäre es denn damit getan, auf die Warnung des Hundes zu reagieren und sich zu entfernen?

Ja. Das wäre die richtige Reaktion, um die Situation einerseits zu entschärfen und auch, um eine Lernerfahrung auf Seiten des Hundes (Schnappen ist ein Weg, meine Ziele zu erreichen) zu verhindern.

Die Empfehlung geht aber klar dahingehend, eine solche Situation zusammen mit professioneller Hilfe zu analysieren und Wege zu finden, die Motivation für Drohen oder Schnappen deutlich zu verringern.

Hier gibt es keine Patentrezepte. Es gilt, sehr genau hinzusehen, individuell zu beurteilen, warum ein Hund Drohverhalten zeigt und dieses dann im Rahmen eines Coachings oder einer Verhaltenstherapie beispielsweise von einer/m TierärztIn oder einer/m TFA für Verhaltensberatung zu korrigieren.

Achtung! Auf Drohverhalten mit Schimpfen oder Strafen zu reagieren ist höchst gefährlich, nicht nur deshalb, weil der Hund in so einer Situation feste zubeißen könnte. Vermeintliche Fachleute, die hier mit Gewalt, Druck oder Strafe arbeiten sind tunlich zu meiden!

Auch wenn es uns auf den ersten Blick stutzig macht: Wenn ein Hund ein Problem mit seinem Gegenüber hat, ist es von Vorteil, wenn er uns warnt. Schlimmer wäre es, wenn er ohne Vorwarnung zubeißt.

Wenn man einem Hund das Drohen durch Strafe oder Ignoranz abgewöhnt, hat man nur die äußere Symptomatik aber nicht die Ursache des aggressiven Verhaltens verändert.

Die kanadische Hundepsychologin Yamei Ross sagt:

„Den Hund für ein Knurren zu bestrafen hat den gleichen Effekt, wie die Batterien aus dem Rauchmelder zu nehmen. Man hört das Geräusch nicht mehr, aber die Gefahr  ist immer noch präsent.“

Besonders beim Welpen passiert es leicht, das natürliche Drohverhalten regelrecht weg-zu-trainieren. Leider sind es oft Kinder, die hier unwissend Schaden anrichten. So schleppen sie zum Beispiel einen kleinen Hund mit ungeschicktem Griff durch die Gegend. Der Welpe hat dabei Angst oder sogar Schmerzen und versucht, durch Knurren oder vorsichtiges Beißen die unangenehme Situation zu beenden. In einem bestimmten Alter finden manche Kinder es aber sogar reizvoll, sich über das Drohverhalten hinwegzusetzen. So lassen sie von dem Welpen erst ab, wenn dieser fester beißt.

Die Lernerfahrung des Welpen: Drohen bringt nicht den gewünschten Effekt. Sofort feste beißen ist die Lösung!

Nach der Adoption eines Welpen tragen wir Menschen die Verantwortung für die richtige Entwicklung des Sozialverhaltens. Jeder Welpen ist anders. Ein Patent-Rezept für den Umgang mit Drohverhalten gibt es nicht. Auch das ist der Grund, eine gute Welpenspielstunde zu besuchen und damit einen kompetenten Ansprechpartner für die ersten Wochen zu haben. ###

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