Beziehungsarbeit ist die Basis
Während der Pandemie genossen Frauchen und Herrchen die schöne, gemeinsame Zeit: Man bekam weniger Besuch, private Treffen am Abend waren eine Seltenheit – das vierbeinige Familienmitglied hatte uns ganz für sich allein! Das böse Erwachen kam erst später: Viele Hunde haben nie gelernt, allein zu bleiben und zeigen dies durch Bellen und Jaulen oder große Nervosität, Zerstörung der Wohnungseinrichtung und andere unschöne Verhaltensweisen.
„Trennungsangsthunde“ sind laut Beschreibung der Besitzer sehr häufig die besten Hunde der Welt. Sie sind sensibel, leben mit den Besitzern in einer sehr engen Beziehung, haben draußen oft einen geringen Aktionsradius, laufen nicht weit weg und zeigen nicht selten die Fähigkeit, „Ihren Menschen“ jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie sind also perfekt – bis auf die Zeit, in der sie allein zu Hause sind.
Standard-Therapien helfen oft nicht
Im Internet findet man zahlreiche Tipps, leider sind nur wenige wirklich hilfreich.
Häufig werden Techniken empfohlen, nach dem die Besitzer den Hund schrittweise alleine lassen sollen. Die Vorbereitung zum Verlassen der Wohnung soll als Desensibilisierung ca. 10 – 20 Mal pro Tag für den Hund „geschauspielt“ werden, ohne dass der Hund danach wirklich allein bleiben muss.
Leider helfen diese Maßnahmen wenig bis gar nicht, denn sie berücksichtigen nicht die individuelle Beziehung zwischen Mensch und Hund.
Ich will in diesem Artikel bewusst nicht auf die Therapien bei Trennungsangst eingehen. Vielmehr möchte ich hier die Aspekte der Beziehungsarbeit als gute Vorbereitung eines „Alleinbleiben-Trainings“ näher beleuchten.
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Ein Trauma am Anfang und eine übergroße Bindung am Schluss
Wenn wir einen Hund adoptieren, dann reißen wir ihn meist aus seiner gewohnten Umgebung. Das Muttertier, vor allem aber die Geschwister, die in den letzten Wochen eine große Rolle spielen, sind plötzlich weg. Es fehlt alles – die Orientierung an den Reaktionen der anderen Vierbeiner, die Bezugsperson, der Tagesrhythmus, die gewohnten Geräusche und Gerüche – das ist für die jungen Hunde ein Trauma und so entsteht in der Not schnell eine zu enge Bindung zum neuen Besitzer.
Das Tatzengeräusch auf dem Fußboden folgt uns in jeden Raum und schlafen tut die Fellnase nur, wenn wir uns in einem Raum mit ihr befinden. Wir verlieben uns schnell in unseren Hund und – seien wir ehrlich – emotional belegt er den Platz eines Familienmitglieds.
Wir helfen dem Kleinen, wenn der Ball unter das Sofa rollt, wenn er vokalisiert (winselt oder bellt) reagieren wir mit Aufmerksamkeit und wenn er unruhig wird, dann unterbrechen wir unser Tun und versuchen den Grund dafür herauszubekommen.
Die zwei Grundsteine der Trennungsangst
Damit legen wir die Grundsteine für die Probleme in der Beziehung:
1. Unser Hund braucht uns zur Entspannung und 2. Wir unterbinden permanent die Bildung einer stabilen Frustrationstoleranz.
Bitte nicht falsch verstehen: Die „Da-muss-er-durch“-Philosophie ist niemals hilfreich, damit sich der Welpe zu einem selbstbewussten und entspannten Hund entwickeln kann!
Aber bei jedem „Piep“ nachzusehen, was los ist, auf allen Vieren auf dem Fußboden nach dem Ball zu suchen oder keine Verhaltensweise des Kleinen unkommentiert zu lassen – das ist das andere Extrem. Und es fördert ebenso wenig die gesunde Entwicklung der Eigenständigkeit oder Frustrationstoleranz.
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Die Schnuller-Parallele
Wir machen uns selbst zum „Schnuller“. Der Hund wird gestreichelt, angesprochen oder auf den Schoß genommen, wenn er unglücklich ist. Das hilft.
So entsteht ein Problemlösungsverhalten: Wenn ich mich nicht wohl fühle, suche ich die Nähe zu Frauchen. Das ist ähnlich wie bei einem Baby: Wenn es weint, bekommt es den Schnuller, der beruhigt und damit wird der Schnuller zur Problemlösung
Aber was, wenn es eben gerade das Problem ist, dass der Schnuller fehlt? Eltern von zweibeinigen „Welpen“ können davon ein Lied singen. Eine gefühlte Ewigkeit kann es dauern, bis man endlich den Schnuller gefunden hat und das laute Babyweinen verstummt.
Genauso geht es dem Hund. Sein Problem ist aber jetzt, dass der Besitzer weg ist. Und die gängige Lösung für Stress lautete bisher, die Nähe zum Besitzer aufzusuchen. Und schon befinden wir uns in einer Endlosschleife in deren Mitte Verzweiflung und Angst steht.
Erst Beziehungsarbeit dann Trennung üben
Wenn also der Mensch, seine Nähe, der Augenkontakt, das Berühren und Angesprochen-werden eine Art Droge ist, die zur Entspannung führt, dann ist es ein kalter Entzug, wenn Frauchen einfach die Wohnung verlässt. Kein Wunder also, dass zeitraubenden Therapie-Methoden selten zum Erfolg führen, wenn die Beziehung außen vor bleibt.
Die Lösung: Bevor der Patient allein gelassen werden kann, muss erst einmal gelernt werden, dass „für sich sein“ nichts Schlimmes ist. Dazu gehört die körperliche aber vordem auch die emotionale Trennung. Und das erfordert vor allem vom Besitzer großes Einfühlungsvermögen, Geduld und Selbstdisziplin.
Wir sind Kaffeeautomaten für unseren Hund
Fragt man Besitzer eines solchen Patienten, ob sie der Meinung sind, dass der Hund sie manipuliert, wird dies oft verneint. Aber das Verhalten der Tiere in der Praxis während einer Therapiestunde zeigt eine andere Wahrheit: Hier wird auf jedes Winseln mit Augenkontakt reagiert, jede Annäherung wird mit einer Berührung quittiert und weitere Aufforderungen auch mit ganzen Sätzen beantwortet. Man kommuniziert. Man ist in Verbindung. Ohne es zu merken, hat man sich zum Kaffeeautomaten für den Hund gemacht hat. Was immer gedrückt wird – Latte, Espresso oder Cappuccino – der liebende Besitzer spuckt es aus.
Das macht Spaß, das ist unterhaltend und es kaschiert das eigentliche Problem: Nämlich, dass viele Hund in der Wohnung aber auch anderswo gar nicht entspannen können. Richtig schlafen kann Hund tagsüber erst, wenn er mit dem Rücken oder dem Kopf auf bzw. an dem Körper seines Menschen liegt – und wenn es nur dessen Füße sind.
Sucht-Therapie – zur Lösung gehören zwei
„Kontakt-Junkies“ nennt man diese Hunde. Und in der Tat sind es die gleichen Bereiche im Gehirn des Hundes, die „funken“ und gefühltes Leid erzeugen: Beim Patient Hund, wenn er allein gelassen wird, beim Süchtigen der Humanmedizin, wenn er auf Entzug ist.
Eine Therapie bei Trennungsangst ist mehr als die schrittweise Gewöhnung ans Alleinsein. Eine Analyse der Beziehung von Hund und Halter steht am Anfang. Im nächsten Schritt gilt es, dem Besitzer die Mechanismen, welche zu der übergroßen Abhängigkeit und fehlender Entspannung führen, bewußt zu machen. Das ist nicht immer einfach, aber diese Analyse und eine einfühlsame Erläuterung ist Basis für den Therapie-Erfolg. Es gibt zwar einen Patienten, aber die Lösung liegt im Mensch-Hund-Team.
Mache den Persönlichkeitstest und erfahre, ob in Deinem Hund ein Risiko für Trennungsangst schlummert und wie er das Alleinsein besser lernen kann.