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Kastration eines Rüden

Für die meisten Hundebesitzer kommt irgendwann eine Zeit, in der sie sich fragen, ob sie ihr Tier kastrieren sollen.
In den ersten Lebensmonaten ist man das Zentrum der Welt für den kleinen Rüden, er hört auf den kleinsten Zuruf und ist nie weit entfernt. Mit dem Einsetzen der Pubertät werden Gerüche und andere Hunde plötzlich immer interessanter, bis „Sex,(drugs) und Rock ‘n Roll“ in den Fokus des heranwachsenden Rüdens rücken und wir uns wie Zuschauer am Rande einer sehr turbulenten Aufführung fühlen.

Achterbahn der Gefühle

Ratschläge anderer Hundebesitzer führen zu emotionalem Schleudertrauma: Von „Kastration ist das einzig Wahre“ bis „Auf keinen Fall kastrieren!“ gehen die Meinungen von einem Extrem ins andere. Der Grund für die Varianz der Empfehlungen liegt an den unterschiedlichen Erfahrungen, die die Hundebesitzer mit dem Eingriff gemacht haben.

Zudem zeigt sich auch unser Hund phasenweise völlig anders. Ist eine Hündin der Nachbarschaft läufig hat der liebeshungrige Vierbeiner nur noch eines im Kopf, stellt sogar das Fressen ein, läuft mit Tunnelblick durch den Park und treibt uns mit seinem ferngesteuerten Verhalten in den Wahnsinn. Der Termin beim Tierarzt wird bereits auf die „To-do-Liste“ geschrieben.

Zwei Wochen später zeigt der junge Rüde sich wieder von der besten Seite und die Gedanken an eine Kastration verschwinden… bis sie nach weiteren 2 Wochen durch das ungestüme Verhalten unserer Fellnase wieder ganz oben auf der Liste landet.

Die Lösung: Kastrationsberatung

Damit man nicht bereut, sich für oder gegen einen Eingriff entschieden zu haben gibt es eine professionelle Lösung: Eine Kastrationsberatung (siehe Kasten).

Diese sollte von einem spezialisierten Tierarzt/einer Tierärztin mit dem Wissen um Verhalten durchgeführt werden. Denn die richtige Antwort auf diese Frage findet sich in der Betrachtung mehrerer Ebenen, die für jedes Tier individuell angeschaut werden müssen.

Die tiermedizinische Ebene, wie das Wissen um den Einfluss der Hormone auf die Gesundheit ist ebenso wichtig wie die Wirkung der Entfernung von Hoden oder Eierstöcken auf das Verhalten.

Denn ebenso wie die Ergebnisse verschiedener Studien zu Krankheiten, die häufiger bei unkastrierten oder gerade bei kastrierten Tieren auftreten, gilt es auch noch andere Aspekte zu beachten: Die Lebensqualität der Besitzer mit ihrem Hund, die Freiheit, die der Hund gewinnt, wenn er nicht dauerhaft an der Leine gehen muss … die Reaktionen anderer Hunde auf meinen unkastrierten Hund können ebenso eine Rolle bei der Entscheidung spielen wie die Unsicherheit, die sich seit der Pubertät immer häufiger in aggressivem Verhalten äußert.

Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wie schwierig die Entscheidung sein kann.

Hilft Kastration bei aggressivem Verhalten?

In vielen Fällen von kompetetiv aggressivem Verhalten von Rüden gegenüber anderen Rüden kann die Kastration zu einer Verbesserung führen. In anderen Fällen wäre die Kastration aber weniger hilfreich. 

Wie fälle ich die richtige Entscheidung? Eine OP ist endgültig, wer kann mir sagen, wie mein Hund sich nach der Kastration verändert? 

Ein/e TierärztIn für Verhaltenstherapie ist hier der passende Ansprechpartner. Diese Fachtierärztin vereint das Wissen über Hundeverhalten und den hormonellen Einfluss auf den Charakter Deines Hundes.

Fallbeispiel Fido

Fido verhält sich aggressiv gegenüber anderen Artgenossen, gleichgültig welchen Geschlechts, er tobt an der Leine, bellt und fletscht die Zähne. Ohne Leine rast er auf andere Hunde zu, stellt sie und bellt hysterisch, hält aber Abstand und wurde deshalb schon mehrfach gebissen. Er selbst hat nie einen Hund schwer verletzt.

Diesem Fall liegt höchstwahrscheinlich eine große Unsicherheit zugrunde, die auf mangelnder Sozialisierung oder traumatischen Erlebnissen zurückzuführen ist.

Ob die Kastration von Fido zu einer Besserung des aggressiven Verhaltens führt, ist zweifelhaft. Ein Therapietraining wäre angebracht, um in erster Linie die Angst zu mildern und damit die Begegnungen für den Vierbeiner weniger stressig zu gestalten.

Im Zweifelsfall wäre eine temporäre Kastration durch einen Chip (siehe ganz unten) ein möglicher Test. Aber ohne Therapie-Training wird auch diese Behandlung nicht genügen, um das Problem zu lösen.

 

Macht Kastration ängstliche Hunde ängstlicher?

siehe unten

Macht Kastration ängstliche Hunde ängstlicher?

Auch das ist ein häufiges Argument, was sich durch wissenschaftliche Studien so nicht halten lässt. Nach dieser Behauptung müsste man annehmen, dass Testosteron „mutig“ macht. Ganz so einfach verhält es sich aber nicht.

Testosteron zeigt uns im Konfliktfall tendenziell die Lösungsstrategie „Fight“ aus dem Konflikt. Ein intakter (nicht kastrierter) Rüde, kann infolgedessen häufiger zu aggressivem Verhalten neigen, um seine Konflikte zu lösen.

Handelt es sich bei diesem Rüden nun um ein schlecht sozialisiertes Tier, welches in der Begegnung mit Menschen eine Bedrohung sieht, kann die Angst in Kombination mit dieser Lösungsstrategie zu gefährlichen Situationen führen.

Ob eine Kastration in diesem Fall hilft oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab und der Patient muss durch eine/n Spezialisten/in genau beobachtet werden. Eine Vereinfachung im Sinne des oben erwähnten Zitates ist dabei nicht hilfreich.

Was ist ein Kastrationschip?

Im Zweifelsfall gibt es die Möglichkeit einer temporären, chemischen Kastration. Mit einem Chip, der vom Tierarzt unter die Haut transplantiert wird, wird die Produktion von Testosteron nach ein paar Wochen so reduziert, dass der Blutspiegel auf das Niveau eines kastrierten Tieres sinkt.

Der Chip selbst hat die Konsistenz eines Zäpfchens, er löst sich über die Monate vollständig auf. Das Chippen selbst ist nicht schlimmer als ein Ohrloch zu stechen.

Nachteil: Kurz nach der Implantation kommt es zu einem Peak, also einer kurzfristigen Erhöhung des Hormons Testosteron mit eventuellen Veränderungen des Verhaltens. Darüber sollte die/der BesitzerIn informiert werden.

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